Liebe Hörerinnen und Hörer! Heute gibt es zum Abschied von Thomas Rellstab als Programmdirektor, mit dem wir am 20. Mai einen Dankgottesdienst feiern, ein Interview. Das Interview führte Andreas Schätzle, der als priesterlicher Mitarbeiter der Weltfamilie Radio Maria Schweiz in den nächsten Monaten unterstützen wird.
Andreas Schätzle: Lieber Thomas, vielleicht zunächst eine Frage zu Deiner Person: wann und wo wurdest Du geboren?
Thomas Rellstab: Kurz zusammengefasst: Ich bin in Wädenswil zusammen mit drei Geschwistern aufgewachsen. Dort habe ich die Schule und später in Zürich das Gymnasium besucht. Nach der Matura 1983 habe ich ein Zwischenjahr mit dem Militärdienst eingelegt, dann habe ich in Fribourg ein Jahr lang Medizin studiert, bevor ich 1985 ins Priesterseminar von Chur eingetreten bin.
Kannst Du uns etwas über Deine Kindheit/Jugend und Deine Familie erzählen?
Ich erinnere mich an eine sehr schöne, behütete Kindheit und Jugend im Kreis meiner Familie mit einem friedvollen Alltag und unvergesslichen Ferien im Wohnwagen. Unsere Mutter war uns eine liebende und umsichtige Mutter mit Leib und Seele, die uns wunderbar umsorgt hat. Unser Vater war als Arzt sehr eingebunden in seine Arbeit. Meine Beziehung zu ihm habe ich v.a. über den Sport gepflegt, manchmal bereits um 6.00 Uhr morgens auf dem Tennisplatz oder beim Wasserskifahren auf dem Zürichsee. Ich hatte tolle Freunde: Wir spielten sehr viel im Freien und haben manch einen Streich ausgeheckt. Die Schule forderte mich nicht sonderlich, der Glaube an Gott und Kirche waren kein Thema. Sehr schwer habe ich mich getan mit dem Lernen eines Instrumentes; ich war einfach zu faul zum Üben. Ich blicke wirklich auf eine sorglose Jugendzeit zurück und bin meinen Eltern und meinen Geschwistern sehr dankbar dafür.
Der 20. Mai, an dem wir in der Kirche von Adliswil den Dankgottesdienst feiern und dann zu einem kleinen Tag der offenen Türe ins Studio einladen, hat ja eine besondere Bedeutung für Dich…
Am 20. Mai 1983, also vor genau 40 Jahren, ist meine ganze Familie in die katholische Kirche aufgenommen und gefirmt worden. Ich war damals 19 Jahre alt. 17 Monate vorher, am 24. Dezember 1981 hatte ich Jesus kennengelernt, als ich das erste Mal eine Heilige Messe mitfeiern durfte. Seither hat mich Jesus nicht mehr losgelassen und ich selber – und unabhängig von mir auch meine Eltern und die drei Geschwister – habe mich von da an intensiv mit dem Glauben, der Bibel und der Kirche auseinandergesetzt. Langsam ist der Entschluss in uns allen gereift, katholisch werden zu wollen. Das ist dann am 20. Mai 1983 in der Dreifaltigkeitskirche von Adliswil geschehen – ein unvergessliches Ereignis, an das ich mich auch heute noch sehr gerne erinnere.
Wie war dann Dein Weg zum Priestertum und wo warst Du zunächst eingesetzt?
Etwa einen Monat nach der Firmung habe ich angefangen, einen Ruf in mir zu hören, der immer stärker wurde. Dieser Ruf hat meine Pläne total auf den Kopf gestellt: Eigentlich wollte ich ja heiraten – ich war auch schon drei Jahre lang mit einem Mädchen liiert – und Arzt werden. Ich bin 1985 ins Priesterseminar in Chur eingetreten in der Hoffnung, dass ich dort schnell verstehen würde, dass das nicht mein Weg ist. Aber es kam zum Glück ganz anders. So habe ich zuerst zwei Jahre in Chur und dann fünf Jahre in Rom studiert, bis ich am 24. August 1991 in Chur zum Priester geweiht worden bin. Danach war ich zwei Jahre als Vikar in Zürich tätig und durfte anschliessend ein Jahr in einem Orden in Italien verbringen. Dann folgten zwei schwierige Jahre in Horgen und 15 tolle Jahre als Pfarrer in Oberurnen. Seit 1. Februar 2011 bin ich Programmdirektor bei Radio Maria – eine wunderbare Aufgabe, die nun zu Ende geht.
Wie bist du zu Radio Maria gekommen? Was hat Dich an dieser Aufgabe gereizt?
Der erste Präsident von Radio Maria hat mich bei einem Gebetsanlass des Fatima Weltapostolates, bei dem ich geistlicher Leiter war, kennengelernt und mich nach einem Spontaninterview zu einer Hl. Messe in der Studiokapelle und einem Gespräch nach Adliswil eingeladen. Da hat er mich gefragt, ob ich nicht Programmdirektor werden würde. Das hat mich natürlich sehr gefreut, denn ich bin ein Kind der Gottesmutter Maria und mit ihr Jesus in der Welt zu verkünden ist das Schönste, das ich mir vorstellen kann. Nachdem der Bischof seine Zustimmung gegeben hatte, stand diesem Ansinnen nichts im Weg.
Was mich persönlich sehr interessiert: Worin siehst Du die besonderen Herausforderungen der Evangelisierung in der Schweiz?
Das kann ich dir nicht sagen, weil ich es nicht weiss. Ich merke einfach, dass viele Menschen unabhängig vom Alter nicht mehr an Gott glauben und die Kirche für sie irrelevant geworden ist. Ich bin kein Analytiker und die Sache ist äusserst komplex und kontrovers. Dennoch denke ich, dass die Genderideologie unsere besondere Aufmerksamkeit braucht, weil ich sie als einen direkten Angriff auf das christliche Menschenbild betrachte. Zudem müssen wir darauf achten, nach den vielen Skandalen in der Kirche wieder authentischere Christen zu werden – eben «ganz heilig werden», um die Glaubwürdigkeit der Kirche wiederherzustellen. Ich selber habe einfach grosse Freude an Jesus und betrachte die Kirche als meine Mutter, und diesen Glauben versuche ich am Radio und auch sonst in meinen priesterlichen Aufgaben zu bezeugen und mit anderen zu teilen.
Wenn Du auf 12 Jahre Radio Maria zurückblickst, was waren die besonderen Highlights für Dich?
Die ganze Entwicklung von Radio Maria Deutschschweiz ist für mich DAS Highlight: Wir haben so klein angefangen und dürfen heute auf eine so grosse Hörerfamilie blicken! Zu Beginn wurde Radio Maria von allen Seiten belächelt, heute ist es fast nicht mehr wegzudenken aus der Medienlandschaft der Schweiz. Wir durften so viele Bekehrungswunder von Hörerinnen und Hörern erleben, wir haben ohne Unterbruch das Wunder der Vorsehung Gottes mit den Finanzen erfahren und so viele interne Stürme überstanden, dass es für mich wirklich wie ein Wunder ist, dass es Radio Maria immer noch gibt. Das Radio scheint von Gott und der Muttergottes gewollt zu sein – das ist das Highlight für mich.
Welche Eigenschaften von Radio Maria erscheinen Dir besonders wichtig? Gibt es Sendungen, die Dir besonders am Herzen liegen?
Es gibt ja die fünf Säulen des Charismas von Radio Maria, die für mich alle sehr wichtig sind: kirchlich, marianisch, missionarisch, Vertrauen in die Vorsehung Gottes und die ehrenamtliche Mitarbeit von vielen Frauen und Männern. Diese Säulen muss Radio Maria immer im Auge behalten und dafür schauen, dass sie spürbar gelebt werden.
Was die Sendungen betrifft, betrachte ich es als das Wichtigste, dass im Radio gebetet und die Heilige Messe gefeiert wird. Auf welchem Radio kann man so oft und so intensiv miteinander beten! Dazu gehören auch die Gebete um Heilung, weil sie zum Ausdruck bringen, dass Jesus uns wiederherstellen möchte in der ursprünglichen Schöpfungsordnung. Grundsätzlich ist für mich alles wichtig, was den Glauben der Hörerinnen und Hörer stärken kann, und da gibt es eine grosse Bandbreite an Möglichkeiten. Ich habe alle Sendungen zu welchen Themen auch immer, sehr, sehr gerne gemacht; es war geradezu eine Leidenschaft – und ich hoffe, dass es den Glauben unserer Hörerfamilie gestärkt hat.
Wie funktioniert das eigentlich mit der Finanzierung des Radios?
Da kann ich nur sagen: Es ist das ständige Wunder der Vorsehung Gottes! Ja, ER selber sorgt für die Finanzen – natürlich durch die Spenderinnen und Spender, die die Hände der Vorsehung sind. Zwei kleine Beispiele: Einmal hatten wir am Ende des Monats, nachdem alle Rechnungen bezahlt worden waren, noch einen Franken auf dem Konto. Ein andermal waren wir wirklich in Schwierigkeiten, so dass ich einen Spendenaufruf am Radio absetzen musste. Gleich darauf hat jemand angerufen und mitgeteilt, dass er uns etwas geben möchte. Als wir die Gabe in Händen hatten, waren es 43'000 Franken. Genau zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch offene Rechnungen in der Höhe von 42'850 Franken – alles ist wunderbar aufgegangen! So wirkt die Vorsehung Monat für Monat: Dank sei GOTT!
Im Mai ist wieder der „Internationale Mariathon“ (23.-25. Mai). Radio Maria sendet in 90 Ländern auf allen fünf Kontinenten. Wie erlebst Du den weltkirchlichen Charakter des Radios und die Rolle der sog. „World Family“, des Dachverbandes von Radio Maria“?
Ja, Radio Maria ist mittlerweile sehr weit verbreitet und es kommen immer neue Radios dazu. Es ist eine grosse Gnade Gottes und ein wunderbares Werkzeug der Evangelisierung. Die Weltfamilie muss das alles überblicken, zusammenhalten und finanzieren, wo Radios noch nicht selbstragend sind. Für mich ist die finanzielle Hilfe, die wir aus der Schweiz v.a. in die afrikanischen Länder senden können, ein grosses Anliegen, aber ich weiss nicht recht, ob es mir, uns, gelungen ist, das auch den Hörerinnen und Hörern herüberzubringen. Wir haben m.E. unser Potential in der Hilfeleistung noch nicht ausgeschöpft.
Wie geht’s jetzt bei Dir weiter?
Das ist z.Z. noch offen. Ich habe einfach gespürt, dass es richtig ist, Radio Maria als Programmdirektor zu verlassen. Ich freue mich jetzt auf das, was der HERR für mich vorhat – es ist ein schönes Ausliefern an IHN, das halt mit einer gewissen Ungewissheit verbunden ist. Aber ich habe grosse Freude an diesem Nicht-genau-Wissen.
Wir freuen uns sehr, dass Du weiter mitwirken wirst! Magst Du unseren Hörern an dieser Stelle noch etwas mitgeben?
Wie meine Mitarbeit bei Radio Maria in Zukunft aussehen soll, ist noch nicht geklärt. Aber sicher geht es mit Radio Maria weiter. Bleiben Sie Radio Maria treu, bleiben Sie Jesus und Maria treu und vergessen Sie bitte nicht gleich wieder alles, was ich in diesen 12 Jahren versucht habe, zu lehren. Danke für Ihre Unterstützung, für Ihr enormes Wohlwollen, für Ihr Mitgehen! Und verzeihen Sie mir, wenn ich nicht alle Erwartungen erfüllen konnte oder jemandem nicht genügend Liebe und Anerkennung entgegengebracht habe. Ich bedanke mich von Herzen für die 12 tollen Jahre mit Ihnen! Einen grossen Dank möchte ich auch an alle Mitarbeitenden im Team und an die Ehrenamtlichen aussprechen: Ohne sie gäbe es Radio Maria nicht! Von Herzen wünsche ich Ihnen allen Gottes reichen Segen. Ich freue mich, Sie da und dort wiederzusehen, spätestens in den Armen des Vaters!
Lieblingsbibelstelle: Lk 12,49 «Feuer auf die Erde zu werfen, bin ich gekommen, und wie froh wäre ich es würde schon brennen.
Lieblingsheilige/r: Paulus
Motto: «Alles zur grösseren Ehre Gottes.» Und: «Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.»